Q3 2017: Alle vier Minuten ein Verteilerkasten - Glasfaser-Ausbau erschöpft Tiefbau-Kapazitäten
DSLWEB Breitband Report Deutschland Q3 2017
Weiterhin Anschlusswachstum auf kleiner Flamme, also alles "business as usual"? Mitnichten, denn hinter den Kulissen sind die Netzbetreiber fleißig dabei, die nächste Breitband-Generation auf den Weg zu bringen. Auch konvergente Produkte sind aktuell ein großes Thema - und ein spannender Schauplatz für Verteilungskämpfe.
Der deutsche Breitbandmarkt ist geprägt von überschaubarem, aber kontinuierlichem Wachstum. Zusammengenommen konnte die Riege der sechs größten deutschen Festnetz-Internetanbieter im Q3 2017 rund 221.300 Breitband-Internetverträge hinzugewinnen und das Quartal mit knapp 30,1 Millionen Kundenverträgen abschließen.
Der überwiegende Teil dieser Vertragszuwächse verfiel dabei einmal mehr auf schnelle Kabel Internet Anschlüsse. Die drei großen Kabelnetzbetreiber Vodafone, Unitymedia und Tele Columbus brachten es hier auf insgesamt 127.300 Netto-Neuverträge. Doch auch das klassische DSL Segment konnte im Q3 2017 abermals ein ordentliches Plus von 94.000 auf über 22,6 Millionen aktive Kundenverträge verzeichnen.
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Telekom MagentaEINS: Schon 3,5 Millionen Kombi-Kunden
Der Festnetz-Marktführer Deutsche Telekom konnte die Zahl seiner Breitband-Kundenverträge im Q3 2017 um weitere 70.000 auf knapp über 13,1 Millionen erhöhen. Angesichts der kontinuierlichen Kundenzuwächse könnte man davon ausgehen, dass die Telekom mittlerweile in ruhigem Fahrwasser angekommen ist. Doch der Anbieter selbst spricht von einer "nach wie vor herausfordernden Marktentwicklung", nicht zuletzt aufgrund der aggressiven Preispolitik einiger Wettbewerber.
Sich an Preisschlachten zu beteiligen, daran hat die Telekom allerdings nach wie vor wenig Interesse - schließlich sind die Telekom Angebote seit jeher fest im Premium-Segment angesiedelt. Aus diesem Grund hat die Telekom den Fokus ihrer Vermarktung auch längst entsprechend verschoben. Wachstumspotenzial sieht das Unternehmen vor allem bei Highend-Anschlüssen, dem eigenen Internetfernsehen und integrierten Kombiangeboten, die bei der Telekom unter dem Namen MagentaEINS laufen.
Gerade mit MagentaEINS scheint die Telekom einen echten Nerv getroffen zu haben: Das Angebot ermöglicht es den Telekom-Kunden, ihre verschiedenen Telekom-Verträge zu einem MagentaEINS Kombivertrag zu verschmelzen. Im Gegenzug gewährt der Provider zusätzliche Preisvorteile und schaltet kostenlose Zusatzleistungen frei.
Allein seit Jahresbeginn 2017 hat die Telekom eine weitere halbe Million MagentaEINS Kunden hinzugewonnen. Im Q3 2017 hat sie damit nun die Marke von 3,5 Millionen Kombiverträgen übersprungen. Inzwischen haben schon 18 Prozent aller Haushalte mit Telekom Breitbandanschluss ihren Internet- und Mobilfunkvertrag zu einem MagentaEINS-Bundle kombiniert. Zur Erinnerung: Ende 2016 hatte MagentaEINS bereits die Hürde von 3 Millionen Kundenverträgen genommen und war der ursprünglichen Telekom-Planung damit volle zwei Jahre voraus (siehe Breitband Report Q4 2016).
Das im September 2014 gestartete konvergente Angebot ist von der Telekom Schritt für Schritt erweitert worden. Mit Einführung der Telekom MagentaEINS Family Cards und dem Junge-Leute-Ableger MagentaEINS Young hat es Anfang September 2017 die mittlerweile elfte Ausbaustufe "MagentaEINS 12.0" erreicht (Einen Abriss hierzu liefern wir in unserer Telekom MagentaEINS Historie).
Vodafone zieht nach, Tele Columbus mit Gegenentwurf
Natürlich haben auch die anderen großen Komplettanbieter ihren Hut in den Ring geworfen und versuchen, die Kundschaft mit ähnlich angelegten Kombivorteilen noch stärker an sich zu binden. Vodafone zum Beispiel hat bereits kurz nach dem Marktstart von MagentaEINS mit dem Tarifbundle Vodafone All-in-One nachgezogen, das später von den Vodafone Red One Kombitarifen abgelöst wurde. Seit August 2016 firmiert das Komplettangebot nun unter der aktuellen Bezeichnung Vodafone GigaKombi.
Nach dem Rebranding ist die Bundle-Option laut Vodafone auch direkt sehr vielversprechend in den Markt gestartet. Zwar ist Vodafone aktuell natürlich noch weit von den MagentaEINS Kundenzahlen entfernt, inzwischen hat die GigaKombi jedoch bereits die Marke von einer halben Million Kunden überschritten. Allein im Q3 2017 konnte der Netzbetreiber dabei ein Plus von 110.000 Kombiverträgen verzeichnen.
Die Kundschaft mit konvergenten Angeboten langfristig an sich binden, das sorgt für Stabilität und sichert Upselling-Potenzial, welches mit der Zeit weiter ausgeschöpft werden kann. Kein Wunder, dass viele Breitband-Anbieter genau darauf hinarbeiten. Aber was, wenn sich der Markt am Ende doch in eine ganz andere Richtung entwickelt? Darauf nämlich spekuliert wiederum die Tele Columbus Gruppe.
Diese hat Ende August endlich die Katze aus dem Sack gelassen und Details zu ihrem lange angekündigten neuen Markenauftritt verraten. Von Oktober an sollen demnach sämtliche eigenen Marken Stück für Stück unter der neuen Marke PYUR vereint werden. Die neue Marke soll aber nicht nur eine frische Optik bringen, sondern den Markt auch mit einigen innovativen Ansätzen beim Produktportfolio aufmischen.
Derzeit, räumt Tele Columbus ein, seien klassische Festnetz-Komplettpakete mit der etablierten Mindestlaufzeit von 24 Monaten weiterhin nachgefragt - weshalb auch PYUR dieses Segment mit entsprechenden Angeboten bedient. Gleichzeitig will der Kabelprovider aber bereits eine langfristige Trendwende ausgemacht haben, der PYUR mit einer eigenen Angebotsschiene zuvorkommen soll.
Hier kommt ein Baukasten-Modell zum Einsatz, in dessen Rahmen sich die Nutzer im "Pick 'n' Choose"-Prinzip ihr Tarifpaket individuell aus den verschiedenen Einzelleistungen zusammenstellen können. Auf den Festnetz-Telefonanschluss, der bei den Mitbewerbern meist zwingend mitgebucht werden muss, kann so beispielsweise komplett verzichtet werden. Noch wichtiger: Die feste Mindestlaufzeit ist auf lediglich 3 Monate verkürzt, danach sind alle Leistungen monatlich kündbar. Das bedeutet zugleich eine Absage an die typischen befristeten Einstiegs-Rabatte, mit denen die klassischen Zweijahresverträge häufig beworben werden.
Ob das Konzept wirklich tragfähig oder am Ende sogar zukunftsweisend ist, wird sich zeigen. Tele Columbus jedenfalls gibt sich hungrig und bezeichnet die flexiblen PYUR Tarifangebote selbst als "disruptive attacker products", mit denen man sich klar vom restlichen Markt abheben will.
Auf dem Weg zum Gigabit: Ausbau allerorten
Bei so viel zur Schau gestellter Angriffslust muss man jedoch auch darauf verweisen, dass Tele Columbus in anderer Hinsicht durchaus sehr um Stabilität und Nachhaltigkeit bemüht ist. So setzt der Kabelnetzbetreiber in erster Linie auf die langfristige Zusammenarbeit mit Wohnungsgesellschaften, wobei die entsprechenden Verträge meist Laufzeiten von zehn Jahren oder mehr aufweisen. Von den knapp 2,4 Millionen Internet-, Telefon- und TV-Abonnements der Unternehmensgruppe verfallen sogar volle 95 Prozent auf Genossenschaftsobjekte.
Das gibt natürlich einige Planungssicherheit, weshalb Tele Columbus derzeit auch gar nicht unbedingt daran gelegen ist, seine Reichweite wesentlich zu erhöhen. Vielmehr will das Unternehmen die Zahl der an sein Kabelnetz angeschlossenen Haushalte zunächst auf dem aktuellen Niveau von rund 3,6 Millionen halten. Was allerdings nicht heißt, dass Tele Columbus nicht weiter kräftig in sein Netz investiert, denn allein im Q3 2017 hat die Unternehmensgruppe 22,2 Mio. Euro in den Infrastruktur-Ausbau gesteckt, was einer Investitionsquote von 18 Prozent des Umsatzes entspricht.
Ohne diese Upgrade-Anstrengungen würde Tele Columbus allerdings auch erhebliches Wachstumspotenzial brach liegen lassen. Schließlich verfügten zum Ende des Q3 2017 erst etwa 64,5 Prozent der Tele Columbus Kabelhaushalte überhaupt über den für die Bereitstellung von Breitband-Internet erforderlichen Rückkanal. Mittelfristig will der Netzbetreiber diesen Anteil nun zumindest auf 71 Prozent erhöhen.
Analog-Abschaltung: Unitymedia macht Platz fürs Gigabit
Unitymedia war seinerzeit der erste große Kabelnetzbetreiber, der eine vollständige Rückkanal-Abdeckung bieten konnte. Auch beim nächsten Meilenstein will Unitymedia nun wieder die Nase vorn haben: Mit der Abschaltung der analogen TV-Verbreitung hat Unitymedia im Juni den Grundstein für die flächendeckende Einführung von Gigabit Internet über den neuen Kabelstandard DOCSIS 3.1 gelegt.
Die großangelegte Analog-Abschaltung selbst ging dabei sogar weitgehend reibungslos vonstatten - erst bei der im Anschluss durchgeführten Neusortierung der Digital-Sender kam es vermehrt zu technischen Problemen und Verzögerungen, weshalb sich der Prozess letztlich bis in den November hinein hinzog. Die Aufschaltung der Gigabit-Anschlüsse erfordere laut Unitymedia nun aber nur noch einen geringeren technischen Aufwand - 2018 will der Provider die neuen Geschwindigkeiten so direkt im Massenmarkt etablieren.
Vodafone stellt Gigabit-Investitionsprogramm vor
Vodafone wiederum wird die Analog-Abschaltung in seinem Kabelnetz erst 2018 in Angriff nehmen, dann jedoch soll auch hier schnell die Einführung von Kabel-Gigabit folgen. Im Rahmen des im September angekündigten "Gigabit Investment Plan" will Vodafone in den kommenden vier Jahren insgesamt zwei Milliarden Euro in den Ausbau von Highspeed-Breitband in Deutschland investieren. Durch die Modernisierung der existierenden Kabelinfrastruktur sowie die Erschließung von rund 2.000 Gewerbegebieten und etwa einer Million Haushalten in ländlichen Regionen mit FTTH Glasfaser soll Gigabit Internet so bis Ende 2021 für ein Drittel aller deutschen Haushalte verfügbar gemacht werden.
Telekom verrät erstmals Details zum FTTH-Ausbau
Der Marktführer zeigte sich von diesen Ankündigungen allerdings unbeeindruckt. Telekom-Chef Tim Höttges bezeichnete das Vodafone-Ausbauprogramm in einer Investorenkonferenz sogar schlicht als "Witz". Schließlich schultere sein Unternehmen seit jeher den Löwenanteil des Netzausbaus in Deutschland und bringe dafür aktuell mehr als vier Milliarden Euro pro Jahr auf.
Kurioserweise ist es laut Höttges auch überhaupt nicht mangelndes Geld, das einem noch schnelleren Glasfaser-Ausbau im Wege steht - aktuell seien etwa 718 Mio. Euro der für den Ausbau vorgesehenen Subventionen noch gar nicht abgerufen worden. Vielmehr seien die erforderlichen Tiefbau-Kapazitäten komplett belegt. Um Engpässe zu überbrücken, habe die Telekom sogar bereits rund 1.000 Arbeiter aus Spanien eingestellt und unter anderem aus Rumänien und Weißrussland weitere Kräfte hinzugezogen. Aller logistischen Hindernisse zum Trotz gehe der Glasfaser-Ausbau aber in hohem Tempo voran: Aktuell werde alle vier Minuten ein weiterer Verteilerkasten erschlossen, 2018 soll diese Schlagzahl sogar auf alle drei Minuten erhöht werden.
Zum Ende des Q3 2017 hatten so insgesamt 28,8 Millionen Haushalte in Deutschland Zugang zu einem der Glasfaser-Produkte der Telekom, 3,7 Millionen mehr als zwölf Monat zuvor. Die Zahl der aktiven Telekom Glasfaser-Anschlüsse hat sich im gleichen Zeitraum um 2,8 auf 8,9 Millionen erhöht.
In der Kategorie "Glasfaser" subsumiert die Telekom allerdings schon lange sehr unterschiedliche Anschlussvarianten - neben den "echten" Direktverbindungen (FTTH - Fiber to the Home) zählt sie auch andere, lediglich Glasfaser-basierte Technologien wie das klassische VDSL und VDSL Vectoring hinzu. Bislang ließen sich deshalb auch kaum belastbare Aussagen über den tatsächlichen FTTH-Anteil im Telekom-Netz treffen. Für das Q3 2017 hat die Telekom nun aber konkretere Zahlen genannt: Demnach konnte sie Ende September rund 600.000 Haushalte mit FTTH Anschlüssen versorgen, bis Jahresende 2017 solle diese Zahl aber noch auf 700.000 ausgebaut werden.
Weiterführende Informationen zu den einzelnen Anbietern
DSLWEB begleitet die Geschehnisse auf dem deutschen Breitbandmarkt nicht nur mit seinen vierteljährlichen Marktreports, sondern bereitet die Entwicklung der einzelnen Provider zudem regelmäßig im Rahmen seiner aktuellen Berichterstattung auf. Folgende News-Meldungen und Info-Grafiken liefern weitere Hintergründe zu den deutschen Breitband-Anbietern im 3. Quartal 2017:
DSLWEB Archiv: Der deutsche Breitbandmarkt seit 2007
Bei den Berichten zu einzelnen Quartalen handelt es sich zwangsläufig um Momentaufnahmen. Trends und historische Entwicklungen allerdings zeichnen sich erst über längere Zeiträume ab.
DSLWEB begleitet den deutschen Breitband-Markt bereits seit 2007 mit regelmäßig erscheinenden Reports. Über den Gesamtindex können alle bisherigen Ausgaben zentral abgerufen werden.
Zur Gesamtübersicht: DSLWEB Breitband Report Deutschland
Alle Breitband-Reports aus dem Jahr 2017 lassen sich auch direkt über folgende Links erreichen: