Q2 2016: Highspeed lässt hoffen - Warum der Breitband-Markt wieder Fahrt aufnimmt
DSLWEB Breitband Report Deutschland Q2 2016
Im Zuge der wachsenden Verfügbarkeit schneller VDSL- und Vectoring-Anschlüsse gewinnt auch das klassische DSL Geschäft wieder an Zugkraft. Das Festnetz rückt deshalb auch bei vielen Providern wieder verstärkt in den Fokus - nicht zuletzt, da sich durch die steigenden Bandbreiten auch neue Upselling-Chancen ergeben.
Insgesamt konnten die sechs wichtigsten deutschen Anbieter von Festnetz-Internet im Q2 2016 rund 276.000 Breitband-Kundenverträge hinzugewinnen. Zum Ende des ersten Halbjahrs 2016 vereinten sie so knapp 28,89 Mio. Verträge. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat das Kundenwachstum auf dem deutschen Breitbandmarkt damit spürbar angezogen.
Der vernehmbare Aufschwung ist auf zwei Umstände zurückzuführen: Zum einen verzeichnen die Kabel Internet Anbieter - nun schon seit geraumer Zeit die entscheidenden Wachstumstreiber auf dem Markt - weiterhin einen starken Kundenzulauf, auf der anderen Seite hat sich aber auch die langsame Erholung des klassischen DSL Geschäfts fortgesetzt.
Themen im Überblick
Historischer Turnaround bei der Deutschen Telekom
Mit einem Netto-Zuwachs von 64.000 DSL Kundenverträgen konnte sich die Deutsche Telekom gegenüber dem Q1 (+62.000) sogar leicht verbessern - obwohl das zweite Jahresquartal traditionell als eher wachstumsschwach gilt.
Der Breitband-Umsatz der Deutschen Telekom wiederum ist im Q2 2016 gegenüber dem Vorjahresquartal stabil geblieben. Was zunächst einmal nach einer eher unscheinbaren Feststellung klingt, markiert für den Ex-Monopolisten aber einen fast schon historischen Turnaround: Stabile Breitband-Umsätze konnte die Telekom nämlich seit der Öffnung des deutschen Telekommunikationsmarkts vor rund 20 Jahren nicht mehr verzeichnen.
Wohlgemerkt handelt es sich hier speziell um die Erlöse aus Internet-Serviceleistungen, der Gesamtumsatz der Telekom Festnetz-Sparte war mit einem Minus von 0,8 Prozent auch im Q2 2016 rückläufig. Die weiter fallenden Umsätze aus der klassischen Festnetz-Telefonie werden jedoch zunehmend vom restlichen Festnetz-Geschäft kompensiert. Während sich der Breitband-Umsatz "lediglich" stabilisiert hat, ist der TV-Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal so nochmals um 8,1 Prozent angestiegen.
Könnte die Telekom in absehbarer Zeit auch hier die Trendumkehr schaffen? Das wird zumindest immer wahrscheinlicher, nicht zuletzt, da sich das Unternehmen im zweiten Halbjahr wieder stark auf den Festnetzbereich konzentrieren will. In den letzten Monaten hat die Telekom dazu einige Produktinnovationen auf den Weg gebracht, die in der zweiten Jahreshälfte nun richtig im Markt greifen sollen.
Bereits im Mai hat sie ihr Digital-TV Telekom Entertain grundlegend überarbeitet. Mit aufgefrischtem Design, zusätzlichen Funktionen und modernerer Hardware ist das Angebot nun unter dem neuen Namen EntertainTV erhältlich. Anfang August folgte dann eine Aktualisierung des MagentaZuhause Tarifportfolios - inklusive der Einführung einer neuen "Test the Best"-Kampagne, der wir uns später noch genauer widmen werden. Nach all den Vorarbeiten hat die Deutsche Telekom ihren Messeauftritt auf der diesjährigen IFA im September schließlich für einen größeren Marketing-Push genutzt. Obwohl die Telekom dem Vorjahr noch leicht hinterherhinkt, peilt sie für das Gesamtjahr 2016 einen ähnlichen Zuwachs an Breitbandkunden an wie 2015 (+283.000).
Vodafone: Aufschwung im DSL Geschäft setzt sich fort
Auch Vodafone verweist auf das traditionell schwächere Quartal, zeigt sich mit seinem Abschneiden im Q2 2016 letztlich aber sehr zufrieden. "Der rote Renner", wird der Vodafone Deutschland-CEO Hannes Ametsreiter zitiert, "ist auf Kurs."
Der anhaltende Aufschwung im Festnetzgeschäft liegt natürlich zum einen an der weiterhin starken Performance des Kabelsegments. Auf der anderen Seite hat sich aber auch das DSL Geschäft weiter stabilisiert. Nachdem Vodafone über lange Jahre mit anhaltenden DSL Kundenverlusten zu kämpfen hatte, kann der Provider seit Ende 2015 wieder leichte Zugewinne an DSL Kundenverträgen verzeichnen.
So auch im Q2 2016: Zwar hat sich das Wachstum im Kabel Internet Segment mit 92.000 Netto-Neuverträgen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum etwas verlangsamt, dafür hat sich die Zahl der Vodafone DSL Verträge zwischen Mai und Ende Juli 2016 um weitere 16.000 auf 2,82 Millionen erholt. Insgesamt ist die Zahl der Vodafone Breitband-Verträge im Q2 2016 damit um 108.000 auf 5,93 Millionen angestiegen.
Was die Serviceumsätze angeht, dürfte auch Vodafone schon bald eine langerwartete Trendwende ins Haus stehen. Gegenüber dem Vorjahresquartal ist der Serviceumsatz der DSL Sparte im Q2 2016 nur noch um 0,9 Prozent abgeschmolzen und hat sich damit bereits weitgehend stabilisiert. Zum Vergleich: Im Q2 2015 hatte Vodafone hier noch einen Rückgang von 2,1 Prozent zu beklagen, ein Jahr zuvor hatte das Minus bei 4,6 Prozent gelegen.
Schichtwechsel: 1&1 bringt sein Glasfasernetz ins Spiel
1&1 hat seinen stetigen Wachstumskurs im Q2 2016 fortgesetzt und steigerte die Zahl seiner Breitbandkundenverträge um weitere 30.000 auf inzwischen 4,39 Millionen. Auch die United Internet-Tochter legt ihren Schwerpunkt im Festnetzgeschäft seit geraumer Zeit auf die Vermarktung schneller VDSL und Vectoring Anschlüsse.
Im Fahrwasser des Vectoring-Ausbaus könnte sich die Rolle von 1&1 auf dem deutschen Breitbandmarkt allerdings nachhaltig verändern. Denn die United Internet-Tochter, die für die Bereitstellung ihrer DSL Produkte bis vor kurzem ausschließlich auf Vorleistungen verschiedener Mitbewerber zurückgegriffen hatte, wird in Zukunft auch im Privatkundengeschäft verstärkt auf das Glasfasernetz von Versatel setzen.
Der Katalysator hierfür ist die Einführung des neuen Layer-2-Bitstromzugangs der Deutschen Telekom. Um diesen für die Realisierung eigener VDSL- und Vectoring-Anschlüsse nutzen zu können, will 1&1 das Versatel-Glasfasernetz in den nächsten Jahren mit bis zu 500 der insgesamt ca. 900 Broadband Network Gateways (BNGs) der Telekom verbinden. Gemessen an den Telekom-Ausbauzielen für 2018 könnte 1&1 so bereits etwa 70 Prozent der deutschen VDSL Haushalte erreichen und wäre hier nicht mehr auf die (mutmaßlich teureren) Layer-3-Vorleistungen angewiesen. Eine erstmalige Einlastung auf das Layer-2-Vorleistungsprodukt könnte nach Einschätzung von 1&1 bereits ab 1. November 2016 erfolgen.
Doch auch bei den FTTH bzw. FTTB Glasfaseranschlüssen für Privatkunden ist einiges in Bewegung gekommen. Anfang August hat 1&1 den Start einer selbstentwickelten Aggregator-Plattform bekanntgegeben, über die bestehende Hausanschlüsse regionaler Anbieter an die Infrastruktur von 1&1 Versatel angebunden werden können. Diese Form der Kooperation erlaubt es 1&1 auf der einen Seite, Glasfaserprodukte in den betreffenden Regionen zu vermarkten; andererseits profitieren die Stadtnetzbetreiber von einer besseren Auslastung ihrer Netze und damit einer schnelleren Refinanzierung ihrer Infrastruktur-Investitionen.
Als ersten Partner hat sich 1&1 den in der Metropolregion Hamburg aktiven Provider wilhelm.tel ins Boot geholt. Allerdings will 1&1 zum Start noch keine speziellen Glasfasertarife für Privatkunden anbieten - zunächst sollen auch über die Glasfaseranschlüsse nur die etablierten Komplettprodukte mit Bandbreiten von bis zu 100 Mbit/s geschaltet werden.
Spezialangebote sollen Highspeed-Hunger anheizen
Für Kunden aus immer noch unterversorgten Regionen mag es vielleicht wie Hohn klingen, aber der klassische DSL Anschluss mit Geschwindigkeiten von bis zu 16 Mbit/s ist inzwischen endgültig zum Auslaufmodell geworden. Auf der einen Seite folgt das natürlich allein schon aus den Breitbandzielen der Bundesregierung, die bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit 50 Mbit/s und mehr vorsieht. Auf der anderen Seite wird der Neukundenmarkt aber ohnehin bereits von den neueren Anschlussvarianten auf Glasfaserbasis dominiert - wo die hohen Bandbreiten verfügbar sind, werden diese auch rege nachgefragt.
Auch bei der Telekom findet derzeit eine mehr als deutliche Verschiebung vom alten DSL Anschluss hin zu den Anschlüssen auf Glasfaserbasis statt - wozu das Unternehmen auch bereits die verschiedenen VDSL Varianten zählt. Alleine im Q2 2016 hat die Telekom etwa 291.000 zusätzliche Highspeed-Anschlüsse geschaltet und seinen Anteil an Glasfaser-Kunden damit auf 28 Prozent erhöht. Nimmt man die von Mitbewerbern angemieteten Wholesale-Anschlüsse hinzu, sind von der Telekom in diesem Zeitraum sogar rund 578.000 Glasfaser-Produkte neu bereitgestellt worden (siehe zum Wholesale-Geschäft auch DSLWEB Breitband Report Q1 2016).
Noch deutlicher zeichnet sich diese Entwicklung allerdings bei den Kabel Internet Anbietern ab, die über ihre DOCSIS 3.0 Kabelnetze bereits wesentlich höhere Download-Geschwindigkeiten bereitstellen können, als es über VDSL oder Vectoring möglich ist. Bei Vodafone beispielsweise entscheidet sich so inzwischen über die Hälfte der Kabel Internet Neukunden für ein Angebot mit 100 Mbit/s oder mehr.
Der kleinere Konkurrent Unitymedia ist in dieser Hinsicht sogar noch um einiges weiter, denn hier buchen laut Unternehmensaussagen mittlerweile bereits 75 Prozent der Neukunden ein Produkt mit 120 Mbit/s oder mehr. Die hohen Bandbreiten sind also im Massenmarkt angekommen - oder wie es der Unitymedia CEO Lutz Schüler ausdrückt: "120 Mbit/s sind längst der Normalfall".
Wobei das "längst" vielleicht etwas zu hoch gegriffen ist, denn im Q1 2016 lag die Highspeed-Quote noch bei 50 Prozent - was im Umkehrschluss aber auch verdeutlicht, wie rasant der Generationswechsel zumindest im Neukunden-Segment vonstattengeht. Zu dem steilen Anstieg hat auch die im Q1 durchgeführte Angebotsaktion unter dem Motto "Highspeed-Wochen" beigetragen, in deren Rahmen Unitymedia seine Neukundenrabatte auf Highspeed-Pakete nochmals stark erhöht hat.
Auch andere große Provider wollen die ohnehin steigende Nachfrage nach schnellen Anschlüssen durch spezielle Neukunden-Angebote zusätzlich anheizen. Ein echter Trend sind dabei Testangebote, die es Neukunden ermöglichen, die maximal verfügbare Bandbreite zunächst ohne Zusatzkosten auszuprobieren. So stellen beispielsweise Vodafone, die Telekom und o2 ihre Festnetz-Komplettpakete derzeit bis zu einem Jahr lang zu einem werbewirksam niedrigen Einheitspreis bereit - unabhängig von der gewählten Anschluss-Geschwindigkeit. Nach der jeweiligen Testphase haben die Kunden dann die Möglichkeit, auf Wunsch auf ein langfristig günstigeres Angebot mit niedriger Bandbreite zu wechseln.
Der Ansatz, den die Provider hier verfolgen, ist klar: Der Kunde soll sich möglichst für eine der besonders schnellen Anschlussvarianten entscheiden - in der Hoffnung, dass er die hohe Bandbreite nach einigen Monaten Nutzung nicht mehr missen möchte und im höherwertigen Tarif verbleibt.
Die Provider profitieren in diesem Fall nicht nur von höheren Tarifgebühren. Denn die hohen Datenraten bereiten zugleich den Boden für die Vermarktung von weiteren Leistungen. So geht es der Telekom bei ihrer "Test the Best" Aktion ausdrücklich auch darum, den potenziellen Kundenstamm für ihr digitales TV-Angebot zu vergrößern. Im TV-Bereich ergeben sich für den Provider dann erneute Upselling-Möglichkeiten, von den eigenen TV-Optionen bis hin zu den Pay-TV Angeboten von Sky. Auch diese werden derzeit mit eigenen Einstiegs-Vergünstigungen beworben. Das Highspeed-Testangebot markiert damit letztlich nur den Beginn einer Kette von aufeinander aufbauenden Produkten, mit denen die Telekom den Kunden durch das gesamte Festnetz-Angebot führen will - bis hin zur höchsten Wertschöpfungs-Stufe.
Weiterführende Informationen zu den einzelnen Anbietern
DSLWEB begleitet die Geschehnisse auf dem deutschen Breitbandmarkt nicht nur mit seinen vierteljährlichen Marktreports, sondern bereitet die Entwicklung der einzelnen Provider zudem regelmäßig im Rahmen seiner aktuellen Berichterstattung auf. Folgende News-Meldungen und Info-Grafiken liefern weitere Hintergründe zu den deutschen Breitband-Anbietern im 2. Quartal 2016:
DSLWEB Archiv: Der deutsche Breitbandmarkt seit 2007
Bei den Berichten zu einzelnen Quartalen handelt es sich zwangsläufig um Momentaufnahmen. Trends und historische Entwicklungen allerdings zeichnen sich erst über längere Zeiträume ab.
DSLWEB begleitet den deutschen Breitband-Markt bereits seit 2007 mit regelmäßig erscheinenden Reports. Über den Gesamtindex können alle bisherigen Ausgaben zentral abgerufen werden.
Zur Gesamtübersicht: DSLWEB Breitband Report Deutschland
Alle Breitband-Reports aus dem Jahr 2016 lassen sich auch direkt über folgende Links erreichen: