Q1 2015: Premium oder Preisbrecher - Deutsche Breitband-Anbieter bringen sich neu in Stellung
DSLWEB Breitband Report Deutschland Q1 2015
Der deutsche Breitbandmarkt ist hart umkämpft. Nach weiteren Übernahmen wird die Luft an der Marktspitze zunehmend dünn. Dabei sitzen die Netzbetreiber zwischen zwei Stühlen: Auf der einen Seite tobt ein harscher Preiskampf, auf der anderen Seite müssen sie stark in ihre Netze investieren, um auf Dauer technisch konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Zahl der von den sechs führenden deutschen Providern geschalteten Festnetz-Breitbandanschlüsse ist im Q1 2015 um 227.600 auf rund 27,2 Millionen geklettert. Auch die vier klassischen DSL Anbieter Telekom, 1&1, Vodafone und o2 konnten unterm Strich mit rund 70.000 Kundenverträge zu dem Plus beitragen - der Löwenanteil der Zugewinne jedoch ging wie erwartet auf das Konto von Unitymedia und Kabel Deutschland.
Diese leichte Erholung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der anhaltende harte Wettbewerb auch den großen Anbietern an die Substanz geht. Einige von ihnen beginnen Konsequenzen zu ziehen und arbeiten an langfristigen Neuausrichtungen. Dabei verfolgen die Marktteilnehmer durchaus unterschiedliche Ansätze.
Unitymedia verschafft sich mit Preiserhöhungen Luft
Besonders deutlich klingt eine solche Neubesinnung in den aktuellen Statements von Unitymedia an: Nachdem der Kabelprovider jahrelang die Modernisierung seines Netzes vorangetrieben und sich gleichzeitig mit einer aggressiven Preispolitik Marktanteile erkämpft hat, tritt Unitymedia nun ein Stück weit auf die Bremse.
In einem ersten Schritt hatte Unitymedia bereits im letzten Jahr die Endkundenpreise seiner TV-Angebote erhöht, im Februar 2015 wurden dann die Anschlussgebühren für die Mehrheit der Unitymedia Bestandskunden angehoben. Im Mai 2015 schließlich hat der Kabelprovider sein Tarifportfolio grundlegend überarbeitet. Je nach Angebot haben sich die Komplettpakete in diesem Zuge um 5 bis 13 €/Monat verteuert.
Das hat sich auch deutlich auf die Kundenzahlen ausgewirkt: Während Unitymedia in den letzten Quartalen noch zuverlässig Zuwachszahlen im hohen fünfstelligen Bereich verzeichnen konnte, ist die Zahl der zusätzlichen Unitymedia Breitband-Abonnements im Q1 2015 auf knapp 35.000 abgesunken.
Trotzdem ist Unitymedia mit dem Ergebnis seiner Herangehensweise zufrieden - denn während die Neukundenzahlen zum Jahresstart vergleichsweise verhalten ausgefallen sind, ist der durchschnittliche monatliche Umsatz pro Kunde (ARPU) deutlich angestiegen - laut Unternehmensangaben so stark wie seit über anderthalb Jahren nicht mehr.
Dazu haben allerdings nicht nur die Preiserhöhungen an sich beigetragen. Die Portfolio-Anpassung nämlich beinhaltete nicht zuletzt eine deutliche Aufwertung des Paketumfangs - neben neuen Highend-Bandbreiten wurden die Angebote um Horizon TV und Video on Demand von Maxdome erweitert. Unitymedia setzt dabei ausdrücklich auf weiteres qualitatives Wachstum, bestehende Kundenverhältnisse sollen nach und nach durch kostenpflichtige Zusatzleistungen vor allem aus dem Premium-TV Bereich veredelt werden.
Telekom setzt auf Internet-Fernsehen und Glasfaser-Produkte
Ein Anbieter, der seit jeher konsequent eine Premium-Strategie fährt, ist die Deutsche Telekom. Aufgrund des gehobenen Preisniveaus sind die Telekom-Produkte natürlich - trotz des hohen Markenwerts - keineswegs ein Selbstläufer. Um seine Kundenzahlen stabil zu halten, nimmt das Unternehmen daher auch einiges an Geld in die Hand: Leichte Rückgänge im operativen Segment seien laut Telekom so auch "maßgeblich durch höhere Aufwendungen für die Kundengewinnung" bedingt.
Durch die schwierige Marktsituation und die aggressiven Preisangebote der Konkurrenz sah sich letztlich auch der Marktführer genötigt, in eigenen Worten, "neue Wege bei der Vermarktung" einzuschlagen. Über die letzten Quartale hinweg hat die Telekom ihren Fokus daher konsequent auf integrierte Angebote, Glasfaser-Produkte und das Internet-Fernsehen Telekom Entertain verlegt. Auch wenn der Ansatz nicht unbedingt neu ist - in dieser Konsequenz verfolgt derzeit wohl kein anderer Anbieter eine solche Premium-Strategie.
Der Erfolg gibt der Telekom aktuell Recht: Mit einem Nettozuwachs von 75.000 Verträgen konnte der Provider im Q1 2015 so viele Breitband-Kundenverträge gewinnen wie seit fast drei Jahren nicht mehr. Die Gesamtzahl der Telekom DSL Verträge stieg damit auf den neuen Höchstwert von 12,44 Millionen.
Die neue Rekordmarke bei den Gesamtverträgen ist jedoch nicht der einzige Meilenstein, den die Telekom zum Ende des Q1 2015 erreicht hat. So konnte der DSL Anbieter zwischen Januar und Ende März um 74.000 Telekom Entertain Abonnements zulegen und damit erstmals die Marke von 2,5 Millionen TV-Kunden knacken. Die Zahl der von der Telekom bereitgestellten Glasfaser-Anschlüsse - das Unternehmen fasst unter dieser Kategorie sowohl die "echten" FTTH-Glasfaseranschlüsse als auch seine VDSL und Vectoring Anschlüsse zusammen - wiederum stieg im Q1 2015 um beachtliche 295.000 auf knapp 2,1 Millionen.
Noch ganz am Anfang steht dagegen das Angebot Telekom MagentaZuhause Hybrid, das nach einer regional begrenzten Einführungsphase im März schließlich bundesweit gestartet ist. Das Mischprodukt kombiniert einen Festnetz-Internetzugang mit einer LTE Verbindung, die sich bei starker Auslastung zuschaltet und so auch in weniger gut abgedeckten Gegenden für hohe Internetgeschwindigkeiten sorgen soll. Bis zum Ende des Q1 2015 zählte die Telekom insgesamt 12.000 Hybrid-Kundenverträge.
o2 DSL ist derzeit nur Fast-Komplettanbieter
Während die Telekom in die Kundengewinnung investiert, hat die deutsche Telefónica-Tochter o2 ihre Marketing-Aufwendungen zurückgefahren und konzentriert sich eigenen Aussagen zufolge verstärkt auf seinen bestehenden Kundenstamm. Immerhin gelingt es o2 dabei aber, seine anhaltenden DSL Kundenverluste zumindest stabil zu halten - im Zeitraum von Januar bis Ende März büßte o2 weitere 16.000 DSL Kundenverhältnisse ein und beendete das Q1 2015 mit 2,13 Millionen DSL Verträgen. Einen deutlichen Zuwachs konnte o2 erwartungsgemäß vor allem bei den VDSL Verbindungen verzeichnen, im Vergleich zum Vorjahresquartal ist die Adoptionsrate hier um 39 Prozent auf 66.000 Neuverträge im Q1 2015 angestiegen.
Was das qualitative Wachstum angeht, dürfte o2 in erster Linie auf das Cross-Selling der eigenen Festnetz- und Mobilfunkprodukte setzen. Eine wachstumsstarke Produktkategorie aus dem Festnetzsegment bedient o2 DSL derzeit nämlich überhaupt nicht: Als einziger der sechs großen Festnetz-Anbieter hat o2 kein eigenes TV-Angebot im Programm. Damit fehlt dem Provider letztlich auch eines der zugkräftigeren Argumente bei der Vermarktung schneller VDSL und Vectoring Verbindungen. Zwar hat o2 im März eine Kooperation mit Watchever bekanntgegeben, die lose Zusammenarbeit mit dem unter Druck geratenen VoD-Anbieter kann diese Lücke aber nicht ansatzweise füllen.
1&1 DSL nun mit eigenem Netz und Telekom-Fernsehen
1&1 hat genau diese Lücke inzwischen geschlossen, denn im Januar 2015 konnten die ersten 1&1 Bestandskunden die neue Tarifoption "1&1 Digital-TV provided by Telekom" aufbuchen. Wie der Name bereits nahelegt, handelt es sich bei dem IPTV-Service - der seit April nun auch für Neukunden verfügbar ist - um eine mit dem 1&1 Branding versehene Variante von Telekom Entertain.
In erster Linie tritt 1&1 also weiterhin als Drittanbieter auf - sei es im klassischen Festnetz-, Entertainment- oder Mobilfunkbereich. Trotzdem bekommt 1&1 die Auswirkungen seiner zunehmend breiteren Aufstellung zu spüren. So muss 1&1 beispielsweise stark in die Subvention von Smartphones investieren und seit dem Erwerb von Versatel steht 1&1 nun auch in Hinsicht auf den weiteren Netzausbau in der Pflicht. Für den Moment scheinen die Planungen aber aufzugehen: Die Zahl der 1&1 DSL Verträge ist im Q1 2015 um weitere 40.000 auf 4,23 Millionen angestiegen und bei den derzeit stark im Fokus stehenden Mobile Internet Verträgen verzeichnete 1&1 ein Plus von 180.000 auf 2,78 Millionen.
Vodafone: Konflikt um Strategie führt zu CEO-Rücktritt
Eine überraschende Ankündigung hat die Veröffentlichung der Vodafone Kennzahlen am 19. Mai völlig überschattet: Denn auf der angeschlossenen Bilanz-Pressekonferenz gab der Chef von Vodafone Deutschland, Jens Schulte-Bockum, neben den aktuellen Zahlen auch seinen Rücktritt bekannt.
So unerwartet der plötzliche Abschied war, kam er doch keineswegs aus dem Nichts. Spekulationen über Konflikte zwischen dem deutschen Geschäftsführer und der britischen Konzernspitze gab es nämlich schon länger. Interessanterweise spiegelt sich hier im Grunde genau der eingangs erwähnte Zwiespalt wider: Berichten der WirtschaftsWoche zufolge sollen die Londoner so auf eine aggressivere Preispolitik gedrängt haben, um schnellere Kundenzuwächse zu befördern. Schulte-Bockum dagegen hatte offenbar eine längerfristige Wachstumsstrategie ins Auge gefasst. In seiner Abschieds-Mail an die Mitarbeiter von Vodafone Deutschland beklagte er dann auch, dass es ihm unmöglich gewesen sei, seinen "Kurs der nachhaltigen Verbesserung des Unternehmens" umfassend umzusetzen.
Dabei kann Vodafone - wie Schulte-Bockum noch in der Pressemitteilung zu den Quartalszahlen zitiert wird - insgesamt auf "ein Jahr der Erholung" zurückblicken. Nicht nur haben sich die Kundenverluste der Vodafone DSL Sparte im Vergleich zum Vorjahr deutlich verringert, gleichzeitig ist auch der Umsatzrückgang von 6,3 Prozent auf 3,0 Prozent zusammengeschrumpft.
Für das echte Wachstum im Festnetzgeschäft sorgt allerdings ohnehin das Vodafone Tochter-Unternehmen Kabel Deutschland. Diese konnte im Q1 2015 um weitere 123.0000 auf inzwischen 2,63 Millionen Internet-Abonnements zulegen und seinen Festnetz-Serviceumsatz gegenüber dem Vorjahr um 6,3 Prozent steigern.
DSLWEB Archiv: Der deutsche Breitbandmarkt seit 2007
Bei den Berichten zu einzelnen Quartalen handelt es sich zwangsläufig um Momentaufnahmen. Trends und historische Entwicklungen allerdings zeichnen sich erst über längere Zeiträume ab.
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Zur Gesamtübersicht: DSLWEB Breitband Report Deutschland
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