Breitbandmarkt 2023: Die Preise steigen, das Wachstum stockt
DSLWEB Breitband Report Deutschland 2023
Während sich Telekom und o2 2023 über kontinuierliche Kundenzugewinne freuen können, müssen 1&1 und Vodafone mit Altlasten aufräumen. Angesichts von Inflation und hohen Ausbaukosten standen bei den großen Anbietern Preiserhöhungen auf dem Programm - zum Teil auch für Bestandskunden.

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Kundenzahlen Breitband-Anbieter 2023
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
Sinkende Kundenzahlen auch ohne TKG-Effekt
Der stark gesättigte deutsche Breitbandmarkt war schon in den letzten Jahren kaum noch für substanzielle Kundenzugewinne gut. Jetzt ist das Wachstum weiter ins Stocken geraten: Unterm Strich war die Zahl der Kundenverträge bei den fünf großen deutschen Breitbandanbietern 2023 erneut rückläufig.
Dies ist zwar schon 2022 der Fall gewesen, hier jedoch unter ganz anderen Vorzeichen. Durch die im Dezember 2021 in Kraft getretene Neuordnung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) wurden Altverträge, die sich zuvor marktüblich immer wieder um ein Jahr verlängert hatten, plötzlich monatlich kündbar. Das hat sich in - zumindest zeitweise - stark erhöhten Abwanderungsraten bei den Breitbandanbietern niedergeschlagen. Wie von allen Marktteilnehmern vorhergesagt, hat sich dieser Effekt jedoch bereits in der zweiten Jahreshälfte weitgehend normalisiert.
Zum 31. Dezember 2023 vereinten die fünf größten Anbieter insgesamt knapp 32,4 Millionen Breitband-Kundenverträge auf sich. Trotz regionaler Konkurrenz hält diese Gruppe weiterhin mehr als 85 Prozent aller Breitband-Kundenverträge in Deutschland.
Warum Altkunden 1&1 ausbremsen, aber nicht die Telekom
Die Zahl der 1&1 DSL Kundenverträge befand sich bereits seit mehreren Jahren im stetigen Sinkflug. In 2023 hat sich 1&1 nun daran gemacht, das Ruder endlich herumzuwerfen - vorerst mit Erfolg.
An der Neukundengewinnung hat es bei 1&1 laut Unternehmensangaben eigentlich nie gehakt. Das große Problemfeld waren vielmehr die Altverträge. Denn Neukunden greifen auch bei 1&1 in der Regel zu zeitgemäßen VDSL Anschlüssen - und sind offenbar zufrieden damit. Die Abwanderungsquote sei bei den 1&1 VDSL Verträgen auf einem marktüblichen, gesundem Niveau. Hier hat 1&1 offenbar einen deutlich erhöhten Kündigungsdruck gespürt. Statt sich direkt bei 1&1 ein Anschluss-Upgrade zu holen, zogen Altkunden wohl verstärkt weiter zu anderen Anbietern.
Dieses Problem ist 1&1 nun proaktiv angegangen: Im Frühjahr 2023 hat der Provider eine Initiative gestartet, in deren Rahmen Bestandskunden, die noch die alte ADSL Technologie nutzen, auf neuere VDSL Angebote überführt werden. Tatsächlich ist es dem Unternehmen dadurch gelungen, den Rückgang der 1&1 DSL Kundenzahl im Q4 2023 zu stoppen. Für das Geschäftsjahr 2024 peilt 1&1 eine weitere Stabilisierung der Breitband-Kundenzahl an.
Der Marktführer Deutsche Telekom hätte sicher ebenso über diesen Fallstrick stolpern können. Nur hat die Telekom hier bereits wesentlich früher massiv gegengesteuert. Unter dem Motto "Kunden zu Fans machen" hat sie dazu bereits 2021 mehr als eine Million Bestandskunden auf neue VDSL Produkte migriert - sogar automatisch und ohne Mehrkosten für die Kunden. Frisch mit schnellerem Internet ausgestattet, sahen die betroffenen Telekom-Nutzer offenbar wenig Grund, ihrem angestammten Anbieter den Rücken zu kehren.
Drei-Punkte-Plan soll Vodafone aus der Krise führen
Schwer an sich zu arbeiten hat Vodafone Deutschland. Sowohl die Corona-Krise 2020 als auch die TKG-Novelle 2021 hatten sehr deutlich bestehende Schwachstellen beim Netzbetreiber aufgezeigt. So war das Vodafone Kabelnetz dem im Zuge von Home Office & Co. stark erhöhten Datenaufkommen in 2020 nicht immer gewachsen. Als einziger der großen Netzbetreiber musste Vodafone hier ernsthafte Kapazitätsprobleme einräumen.
Da nahm sich die TKG-Novelle eigentlich harmloser aus. Aber auch diese nächste Ausnahme-Situation brachte abermals strukturelle Probleme bei Vodafone zutage. Im Zuge der Flexibilisierung der Vertragslaufzeiten haben sich die deutschen Provider natürlich bemüht, möglichst viele der "freigewordenen" Bestandskunden mit neuen Angeboten wieder längerfristig an sich zu binden. Bei Vodafone ging die Kundenansprache allerdings gehörig schief. Statt den Nutzern direkt passende One-Click-Lösungen anzubieten, um bequem auf aktualisierte Tarife zu wechseln, setzte Vodafone Deutschland auf komplizierte E-Mail Verfahren. Das hat dazu geführt, dass Vodafone unverhältnismäßig stark von Kundenabwanderungen betroffen war.
Seitdem hat sich bei Vodafone Deutschland allerdings viel getan. So sind interne IT-Prozesse und Customer Journeys umfassend modernisiert worden, was laut Vodafone auch schnell Früchte getragen hat. Viel Aufwand ist zudem in die Stärkung des eigenen Kabelnetzes geflossen. Unter anderem durch den massiven Ausbau von Kabelverzweigern ist es Vodafone gelungen, die Performanceprobleme im eigenen Netz wieder in den Griff zu bekommen. Das wurde 2023 schließlich auch durch die Netztests der Magazine Computer Bild und Chip bestätigt, in denen es Vodafone sogar an die Spitze schaffte. Im großen Connect Festnetz-Test reichte es für Vodafone für den Sprung von Platz Vier auf Platz Zwei.
In der Zwischenzeit hat der Konzern auch einschneidende personelle Konsequenzen in der Führungsebene gezogen. Zunächst kam es im Juli 2022 zu einem Wechsel an der Spitze von Vodafone Deutschland. Nach sieben Jahren wurde Hannes Ametsreiter durch Philippe Rogge ausgetauscht. Im Dezember 2022 gab dann der Konzern-Chef Nick Read überraschend seinen Rückzug bekannt. Als Interim-Chefin wurde Finanzvorständin Margherita Della Valle eingesetzt, die im April 2023 schließlich offiziell auf den CEO-Posten nachgerückt ist.
Unter der Federführung von Della Valle wurde ein Drei-Punkte-Plan erstellt, der das Unternehmen in den nächsten Jahren gehörig umkrempeln soll. Eine der zentralen Säulen dieses Programms ist die Verschlankung des Konzerns. Erwartungsgemäß wird dies nicht ohne Stellenstreichungen einhergehen. Weltweit sollen über die nächsten drei Jahre rund 11.000 Arbeitsplätze eingespart werden, davon wohl 1.300 in Deutschland. Besonders kundennahe Bereiche will Vodafone allerdings personell stärken: In Technik und Service sollen so im gleichen Zeitraum rund 400 neue Stellen geschaffen werden.
Eine weitere Zielsetzung ist die Dezentralisierung des Unternehmens. Die einzelnen Märkte sollen unabhängiger von der Konzernzentrale werden und so agiler auf die lokalen Gegebenheiten reagieren können. Ein solcher Kulturwandel könnte sogar mehr Stabilität mit sich bringen. Denn gerade die deutsche Leitung war in der Vergangenheit fast schon traditionell mit London über Kreuz gelegen. So hatten anhaltende Streits über die Unternehmens-Strategie 2015 zum plötzlichen Rücktritt des damaligen Deutschland-Chefs Jens Schulte-Bockum geführt. Auch dessen Vorgänger Fritz Joussen war 2012 im Zuge von jahrelangen Konflikten mit der britischen Konzernführung ausgeschieden.
Noch ist Vodafone Deutschland allerdings nicht zur Ruhe gekommen. Stattdessen dreht sich das Personalkarussel munter weiter: Im März 2024 hat nun auch Phillip Rogge seinen Rücktritt als Deutschland-Chef erklärt. An seine Stelle als CEO ist der bisherige Privatkunden-Vorstand Marcel de Groot getreten.
Preiserhöhungen treffen auch Bestandskunden
Die Netzprobleme sind im Griff, der TKG-Effekt längst abgeflaut. Warum hatte Vodafone dann auch 2023 stark mit Kundenabwanderung zu kämpfen? Ein weiterer Teil des Puzzles sind Preiserhöhungen, die schon länger im Raum standen.
Dass das bisherige Preisniveau auf dem deutschen Breitbandmarkt nicht mehr zu halten war, hat sich bereits abgezeichnet. Gründe hierfür sind vor allem die anhaltende Inflation sowie die hohen Kosten für den notwendigen Netzausbau.
Statt direkt Hand an die Tarifpreise zu legen, haben die großen Anbieter zunächst ihre Neukundenvorteile zurückgefahren. So wurden beispielsweise Startguthaben gekürzt, Willkommensrabatte eingedampft und bisher kostenlose Hardware durch Mietgeräte ersetzt.
Am Ende war Vodafone der Provider, der sich als erstes mit "echten" Preiserhöhungen aus der Deckung gewagt hat. Im Herbst 2022 präsentierte der Netzbetreiber ein neues, verschlanktes Tarifportfolio - mit Neukundenpreisen, die rund 5 Euro über den bisherigen Monatsgebühren lagen. Bestandskunden wiederum wurden von Vodafone ab Mai 2023 zur Kasse gebeten - über die nächsten Monate flatterten Millionen Nutzer Preiserhöhungen um bis zu 10% ins Haus.
Die ersten Konkurrenten haben in der Folge nicht lange auf sich warten lassen. Sowohl o2 als auch 1&1 haben ihre Kunden im Frühjahr 2023 über Preisanpassungen unterrichtet. Im April 2023 hat die Telekom ihre MagentaZuhause Festnetz-Angebote verteuert. An großangelegte Preiserhöhungen für Bestandskunden hat sich die Deutsche Telekom noch nicht herangetraut - so sehr Investoren auch immer wieder in diese Richtung nachbohren.
Marktanteile Breitband-Anbieter 2023
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
Weiterführende Informationen zu den einzelnen Anbietern
DSLWEB begleitet die Geschehnisse auf dem deutschen Breitbandmarkt nicht nur mit seinen Marktreports, sondern bereitet die Entwicklung der einzelnen Provider zudem regelmäßig im Rahmen seiner aktuellen Berichterstattung auf. Folgende News-Meldungen und Info-Grafiken liefern weitere Hintergründe zu den deutschen Breitband-Anbietern in 2023:
Deutsche Telekom: Kundenentwicklung Breitband
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
Vodafone: Kundenentwicklung Breitband
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
Vodafone: Kundenentwicklung Kabel Internet
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
Vodafone: Kundenentwicklung DSL
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
1&1 DSL: Kundenentwicklung Breitband
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
o2 DSL: Kundenentwicklung Breitband
Quelle: DSLWEB Breitband Report 2023
News zum Breitbandmarkt 2023
Als Ergänzung zum Breitband Report bereitet DSLWEB die Geschehnisse auf dem deutschen Markt regelmäßig in aktuellen Newsberichten auf. Hier sind die gesammelten Meldungen aus 2023:

1&1 DSL im Q4 2023: Zum Jahresende geht die Wette auf
Zum Jahresende hin hat sich die Zahl der 1&1 Festnetzkunden endlich wieder stabilisiert. Ausschlaggebend hierfür war die Überführung von Altkunden auf neuere VDSL Verträge. Für die Zukunft setzt 1&1 aber bereits verstärkt auf die schnelle Glasfaser. mehr

Telekom im Q4 2023: Die erste Million Glasfaser-Kunden ist geschafft
Seid umschlungen, Millionen: 15 Millionen Breitband-Kundenverträge, 8 Millionen potenzielle Glasfaser-Haushalte und 1 Million Glasfaser-Kunden - zum Jahresende 2023 hat die Deutsche Telekom einige neue Meilensteine erreicht. Vor dem ganz großen Glasfaser-Durchbruch steht jetzt aber noch viel Überzeugungsarbeit. mehr

o2 DSL im Q4 2023: Schnelles Kabel kurbelt Wachstum an
Die klassische Telefonleitung verliert auch bei o2 zunehmend an Bedeutung. Dank der hohen Verfügbarkeit greifen Neukunden aktuell vor allem zum schnellen Kabel Internet. Darüber hinaus erweisen sich die Kabelkunden auch noch als besonders loyal. mehr

Vodafone Deutschland im Q4 2023: Optimistisch vom Regen in die Traufe
Die Vodafone Preiserhöhungen aus dem letzten Jahr haben Geld in die Kassen gespült, dem Internetanbieter andererseits aber auch einige Kunden gekostet. Hier entspannt sich die Lage nun wieder, doch mit dem Ende des Nebenkostenprivilegs für Kabelanschlüsse steht direkt der nächste große Kraftakt an. mehr

1&1 DSL im Q3 2023: Wette auf die Schwarze Null
Die Zeit der anhaltenden Kundenabwanderung soll bald vorbei sein. Nach den erneuten Anschlussverlusten im Q3 2023 soll bis zum Jahresende nun endgültig die Bremse greifen. Neben dem Abbau der alten ADSL Anschlüsse soll auch der verstärkte Glasfaser-Absatz zur Stabilisierung beitragen. mehr

Vodafone Deutschland im Q3 2023: Preiserhöhung hat Konsequenzen
Vodafone hat immer noch mit hohen Anschlussverlusten zu kämpfen - teilweise befeuert durch die Erhöhung der Bestandskundenpreise aus dem Mai. Die Preiserhöhung könnte aber noch ein ganz anderes Nachspiel haben, denn Verbraucherschützer haben wegen ihr eine Sammelklage gegen den Netzbetreiber eingereicht. mehr

o2 DSL im Q3 2023: Glasfaser und Kabel sorgen für markantes Kundenplus
Der VDSL-Anteil unter den o2 Festnetzverträgen sinkt - und das ist eine gute Sache. Denn statt zum aufgetunten Kupferanschluss greifen die o2 Kunden inzwischen verstärkt zu Glasfaser-Angeboten und Kabel Internet. Dank der neuen Technologien nimmt das Kundenwachstum weiter an Fahrt auf. mehr

Telekom DSL im Q2 2023: Ganz zufrieden mit der Gesamtsituation
Der deutsche Breitbandmarkt ist stark gesättigt, der Netzausbau aufwändig und allen Wettbewerbern sitzt die Inflation im Nacken. Der Marktführer kann dies aber vergleichsweise gelassen sehen - und freut sich über weitere Zuwächse bei Kunden, Umsatz und Marktanteil. mehr

1&1 DSL im Q2 2023: Diese Maßnahme soll den Kundenschwund stoppen
Schon seit über vier Jahren befindet sich die Zahl der 1&1 Festnetzkunden im stetigen Sinkflug. Bis zum Jahresende will der Anbieter seinen Breitband-Kundenbestand nun wieder stabilisieren. Dazu muss zunächst mit Altlasten aufgeräumt werden. mehr

o2 DSL im Q2 2023: Auch das Festnetz trägt zum Wachstum bei
Das Kundenwachstum im Breitband-Segment hat sich weiter fortgesetzt. Gleichzeitig gibt die zunehmende Verbreitung von höherwertigen Kundenanschlüssen den Festnetzumsätzen zusätzlichen Auftrieb. mehr

Vodafone Deutschland im Q2 2023: Warum die Kundenflucht noch kaltlässt
In nur drei Monaten hat Vodafone mehr als 120.000 weitere Breitband-Kundenverträge in Deutschland verloren. Die aktuelle Talfahrt kam jedoch alles andere als unerwartet - Entspannung ist laut der Konzernspitze bereits in Sicht. mehr

Vodafone im Q1 2023: Aktionsplan steht - Entlassungen kommen
Das ewige Sorgenkind Deutschland ist nicht der einzige Krisenherd der Vodafone Gruppe. Jetzt hat die Konzernführung ihre Roadmap für eine umfassende Neuausrichtung vorgelegt. mehr

DSLWEB Archiv: Der deutsche Breitbandmarkt seit 2007
Bei den Berichten zu einzelnen Quartalen und Geschäftsjahren handelt es sich zwangsläufig um Momentaufnahmen. Trends und historische Entwicklungen allerdings zeichnen sich erst über längere Zeiträume ab.
DSLWEB begleitet den deutschen Breitband-Markt bereits seit 2007 mit regelmäßig erscheinenden Reports. Über den Gesamtindex können alle bisherigen Ausgaben zentral abgerufen werden.
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